Komposition

Komposition

In Arbeit; ich philosophiere hier öffentlich über dieses Thema

Improvisation und Komposition sind ein Teil meines Projektes

Das 20.te Jahrhundert bescherte uns zuerst die 12ton-Technik und dann die serielle Musik.

Das sollte, nachdem sich die Komponisten nach und nach von den Tonsatzregeln befreit hatten und in einer Art atonaler Anarchie versunken waren, der Sache "neue Musik" wieder eine Form geben...

(neue Musik gab übrigens immer; neu war lustigerweiser, dass alte (klassische) Musik zu Gehör gebracht wurde)


Im populären Bereich entstanden unzählige Formen, während die Freude am seriellen Ansatz einer recht kleinen "Elite" von Hörern vorbehalten blieb; sich wegen der Schwierigkeit in der Ausführung und der meist geringen Resonanz beim Publikum auch bei Musikern nur mäßiger Beliebtheit erfreute. Viele Stücke sind wirklich Unsinn; Kopfmusik - aber es gibt durchaus moderne Musik mit Substanz - nur wird die oft vorgetragen, als würde ein Chinese mit minimalen Deutschkenntnissen Gedichte von Rilke rezitieren...  Da beißt sich die moderne Katze in den Schwanz.


Natürlich macht die perfekte Beherrschung des Tonsatzes keinen Bach - Stichwort Kantorenkomposition - und seriell komponierte Musik eines guten Komponisten von Musikern zu Gehör gebracht, die über ein wirkliches Verständnis der Stücke und die nötigen instrumentalen Fähigkeiten verfügen, gefällt durchaus nicht nur einer Elite...


Nichtsdestotrotz ist Tonsatz schon eine Art Grammatik der Musik und damit eine verstandesgerechte Abstraktion - der serielle Ansatz ist dann wie eine Kunstsprache, die von der Grammatik her erfunden wurde...

(Verstand und "wirkliches Verständnis" schließen sich aus. Der Verstand ist ein nützliches Werkzeug um die Aufmerksamkeit zu fokussieren und Zusammenhänge im Detail zu erforschen; mit lebendiger Komplexität kommt er nicht zurecht. Dafür haben wir andere Werkzeuge. Musik sollte nicht Stückwerk sein, sondern Ganzheit)


Tonsatz ist kein guter Ansatzpunkt für kreatives Schaffen - und es gibt nicht einen Tonsatz; es gibt eine Reihe von allgemeinen Prinzipien. Darauf lassen sich unzählige Regelwerke aufbauen, die in sich stimmig, aber nicht untereinander kompatibel sind.

Tonsatz, Grammatik, Gedanken über den Zusammenklang und Regeln sind natürlich das, was sich am besten in schriftlicher Form darlegen lässt....


Sicher wäre für einen aktiven 19ton-musiker eine Heranführung an die besonderen (aber natürlich unzähligen) Möglichkeiten dieses Tonsystems nützlich - eine Organisation von "Beispiel-musiken" wäre hier eine Alternative zu einer Baumartig strukturierten Lehre "sinnvoller Tonverbindungen".


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Ein allgemeinerer Ansatz ließe sich vielleicht erarbeiten, wenn wir uns zwei  Extreme der Musik anschauen:

Die Regeln der seriellen Komposition zielen im wesentlichen auf Vermeidung von Redundanz  - Verdichtung des "Materials"

Offensichtlich im Gegensatz zur populären Musik... diese ist in hohem bis höchstmöglichen Maße redundant.

Zum einen besteht sie fast ausschließlich aus bereits etablierten Mustern auf allen Ebenen.

Und dann im konkreten Ablauf aus Wiederholungen; individuell ist meist nur eine winzige Idee... ein Motiv.

Entwicklung findet so gut wie nie statt - das hat allerdings große Ähnlichkeit mit dem Leben selber.


Auch die Entwicklung der klassischen Musik von Renaissance über Barock, Klassik und Romantik zur Moderne war kein stetiger Entwicklungsprozess, sondern eher von Generation zu Generation eine Abgrenzung zum vorhergegangenen perfektionierten und ein neuer perfektionierungs-prozess; Perfektionierung ist naturgemäß konservativ.


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anderer wesentlicher Punkt:

Der Musiker und der Hörer erschaffen gemeinsam die Musik...

Die Tonkonserve ist eine recht neue Entwicklung.

Die Komposition war irgendwann eine neue Entwicklung.

Ich hab so um 1990 umfangreiche "komponierende" Programme auf dem Atari ST geschrieben.

Da war es dann wirklich nur der Hörer, der die Musik erschafft; der den Sinn erschafft

und ich fand jede Menge Sinn in den eigentlich sinnlosen Ergebnissen recht überschaubarer Algorithmen.


Eine Tonart ist also nicht eine Anordnung von Tönen, sondern eine Erwartungshaltung in Form eines komplexen Spannungsgefüges durch die wir Töne als “sinnvoll” wahrnehmen und nicht als beziehungslose Tonhöhen

Jeder als “sinnvoll” wahrgenommene Ton stützt dieses spezielle aktuelle Gefüge, während “unsinnige” Töne der Sache bis zu einem gewissen Grade eine Würze verleihen, darüber hinaus aber dieses Wahrnehmungsgefüge in einen anderen Zustand kippen lassen

(Eigenzitat aus dem Beitrag über Tonskalen)

Das ließe sich genauer fassen - unsinnige Töne sind eher unerwartet und bringen eine zusätzliche Spannungs-ebene hinein.

Dieses Grundprinzip gilt ganz allgemein für Komposition und Improvisation - wobei wesentlich zu beachten ist, dass diese Erwartungshaltungen sowohl eine Sekunden-ebene haben, als eine Minuten-eben und dann auch mehrere Langzeitige Gedächtnis-ebenen.

Spannungen werden gefühlt - das spielt auch bei gesprochener Sprache eine große Rolle, wird aber von Menschen, die mit dem begrifflich denkenden Verstand identifiziert sind (der normalfall in unserer Kultur) nur vage wahrgenommen oder ist sogar unbewusst.



Was heißt das praktisch?

 

Der Verstand tut sich mit diesen rekursiv-komplexen Sachen schwer und "Kopfmusik" ist ein Schimpfwort:

Sowohl für Improvisation wie Komposition sind verschiedene Arten von Meditations-techniken - insbesondere Stille-meditationen sinnvoll - um den Verstand aus dem Schaffensprozess weitgehend raus zu halten  - aber dann kommen direkt die unzähligen Gewohnheiten - z.B. geläufige Fingerbewegungen; dagegen kann zwar der Verstand helfen, aber den wollten wir ja raushalten. Es gibt weitere Meditationen um diese Gewohnheiten wahrzunehmen; wahrnehmen, und das heißt direktes beobachten im Jetzt, nicht gedankliches Reflektieren, hat enorme Auswirkungen darauf; sie lösen sich auf oder hören auf autonom zu wirken; sie werden zu Bausteinen, Werkzeugen...


Meditation heißt allgemein die Aufmerksamkeit nach "innen" richten... wobei auch das aussen wahrgenommene in Wahrheit innen ist und noch erstaunlicher: das tiefere Innen ist in gewisser Weise wirklich aussen... aber es gibt da nichts zu "verstehen"; es gilt nur zu beobachten, wahrzunehmen; vom Denker zum Bewusstsein zu werden.


Ein anderer Ansatz sind Spiele:

man kann Musik auf dem Tapchord z.B. als eine Art Fingertanz auffassen.

je kindlicher und selbstvergessener man spielt, desto schönere Klangstrukturen können ganz ausversehens entstehen.


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nur Material


Nur Selbsterhaltung und Selbstbestätigung  führt zu immer mehr innerer Ausdifferenzierung die gleichzeitig eine Art von "Verknöcherung" ist und letztlich zum Zusammenbruch führt. Natürliche Entwicklung hat meist fraktale und katastrophale Züge.

Eine Evolution im Sinne des Wachstums-konzeptes von Verstand ist nicht mal die halbe Wahrheit.



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Sinn in der Musik wie im Leben ist ein relatives Phänomen und ergibt sich aus dem größeren Ganzen - dieses wiederum existiert erstens als Teil eines noch größeren Ganzen und zweitens, weil es existiert:

Keine Henne ohne Ei und kein Ei ohne Henne - sie sind nur im Verstand getrennt; das kleine Ganze ist die Huhnheit.

Auch wenn wir das Huhn problemlos von der umgebenden Welt unterscheiden können, ist diese "Umgebung" Teil des Huhn- Prozesses. Die isolierende Betrachtung führt wieder in die verstandesgerechte Irre.


In wie fern lässt sich das auf Musik übertragen?


Kein Sinndestilat sondern Sinn im Kontext

Wir wollen weder medizinischen Alkohol oder Strohrum produzieren - noch Wasser, Limonade oder Kräutertee

Wir wollen Wein entstehen und reifen lassen - Geist im natürlichen Kontext; weder Destilat noch Geistlos.


Es gibt einen Teil in uns, der diese schöpferische Fähigkeit hat und das ist nicht der Verstand.

Das ist auch nicht die Gewohnheit - es ist entweder das medial-intuitive Handeln oder das erleuchtete Bewusstsein.


Komponisten wie z.B. Bach schreiben nicht einfach drauf los... es ist eher so, dass sie einen Samen-ton zu einem Kosmos aufblasen - Anfang und Ende entstehen (bewusst oder unbewusst) gleichzeitig; die Bewegung in der Zeit entsteht aus einer kleinen un-balance und erwächst aus der Reakton auf sich selber...