Mitteltönige Stimmung

Die mitteltönige Stimmung


Aus dem Wunsch nach schönen Terzen und gleichmäßiger Melodik entstand vermutlich im 15ten Jhd. aus der reinen Stimmung die mitteltönige. Die zwei ungleichen Ganztöne 9/8 (204ct) und 10/9 (182ct) wurden zu dem irrationalen Intervall Wurzel aus 5/4 (193ct) vermittelt; daher der Name.

Eine logarithmisch gleichstufige Unterteilung der Oktav in 31 Stufen führt zu dem selben Ergebnis; vollchromatische mitteltönige Instrumente gab es nur wenige. Die meisten Instrumente hatten damals wie heute 12 Tasten, aber bis zu 16 Tasten waren verbreitet.


Gleichzeitig mit den 31stufigen "Vieltönern" gab es gegen Ende der mitteltönigen Periode auch 19stufige Cembali und vereinzelt wohl auch Orgeln - die Bezeichnung Cembalo chromatico e enharmonico weist darauf hin, dass diese sowohl gleichstufig 19tönig und mitteltönig-enharmonisch gestimmt wurden. Zu Bachs Zeiten verschwanden diese besonders in Italien verbreiten Instrumente (aber auch Praetorius berichtet davon), bzw. wurden auf 12stufen zurückgebaut.


Bis ins späte 18te Jhd. waren die meisten Orgeln noch mitteltönig gestimmt; vereinzelt hielt sich die mitteltönige Stimmung bis ins 19te Jhd.

Zumindestens im Bereich von Kirchen- und Volksmusik kann man davon ausgehen, dass die heutige temperierte Stimmung dieser Musik nicht wirklich gerecht wird. Das "Volk" tat sich wohl lange schwer mit den "scharffen Terzen"


Die Melodik ist mitteltönig mit 193 zu 117ct grundsätzlich entspannter; für die Chromatik gibts einen kleinen Halbton, der mit 76ct einen viel stärkeren Leitton-charakter hat...


Diese Einzelaspekte werden dem Höreindruck aber nicht gerecht:

Ein Tonsystem ist als Ganzes eine Art kohärentes Feld dessen Charakter nicht kausal-logisch aus dem einzelnen Elementen, sondern aus dem Zusammenstimmen aller Elemente begründet ist. Es gibt aber so etwas wie grundlegende Gestaltungsmuster, die den Gesamtcharakter prägen - Zahlen kommen diesen abstrakten Mustern am nächsten.


Die Obertonreihe ist durch ganze Zahlen begründet.

Die reinen Intervalle sind durch rationale Zahlen, also ganzzahlige Brüche, begründet.

Der Intervall-charakter korrespondiert deutlich wahrnehmbar mit den Primzahlen 1,2,3,5 u.7.

Primzahl oder Teilerfreudig wirkt sich auf die kohärente Strukturbildung in der Musik aus.

(ich kann natürlich eine Struktur willkürlich festlegen oder aus Gewohnheit verwenden, aber man kann "fühlen", ob Strukturen kohärent sind)


Die mitteltönige Stimmung als Ausschnitt aus dem 31stufigen System wird diesen grundlegenden Qualitäten ausserordentlich gerecht.

Meistens wird diese Stimmung als unvollkommene Vorstufe der modernen dargestellt, dabei ist sie dieser in sehr wesentlichen Punkten weit überlegen - sie ist nur eben unvollständig realisiert und in vollkommener Realsierung sind 31 Töne schlichtweg zuviel.

Dazu kommt die etwas verwirrende Reihenfolge:

C Dbb C# Db Cx D Ebb D# Eb Dx E E# Fb F Gbb....