Proportion

Proportion


Hört man eine bekannte Melodie auf meinem Tonsystem, fällt vielen Leuten überhaupt kein Unterschied gegenüber dem etablierten System auf; andere empfinden einen subtilen Unterschied, den sie etwa als "entspannt" oder "molliger" bezeichnen. Das ist eigentlich erstaunlich, denn die Unterschiede sind beträchtlich.


Es gibt in dem 19stufigen System keine Halbtöne. Das Grundintervall bezeichne ich als Drittelton, weil drei davon einen Ganzton ergeben. Zwei davon werden meistens als Halbton wahrgenommen. Der Dritteltonschritt wird je nach Kontext als sehr starker Leitton (von oben oder unten) wahrgenommen oder als "orientalisch" bzw. exotisch.


Im etablierten Tonsystem mit 12 logarithmisch gleichen Tonstufen verhalten sich großer zu kleinem Tonschritt wie 2 zu 1 - allgemein anerkannt als eine unharmonische Proportion. Noch extremer ist das Verhältnis im pythagoräischen System (204ct/90ct) - wer die Möglichkeit eines Vergleiches hat, wird diese Verhältnisse als spannungsreich wahrnehmen.


Ganz im Gegensatz dazu steht das Verhältnis von 3 zu 2 im 19stufigen System.

Es klingt spannungsarm - angenehm, aber tendenziell schon zu entspannt.


In der mitteltönigen Stimmung ist das Verhältnis 5/3 - das klingt besonders natürlich oder ausgeglichen.

Neben den schönen Terzen haben diese gefälligen melodischen Proportionen sicher viel zu der lang anhaltenden Beliebtheit der mitteltönigen Stimmung beim einfachen Volk beigetragen.


Was sind das für Proportionen?


Dem einen oder anderen wird vielleicht aufgefallen sein, dass wir es hier mit den berühmten Fibonacci-zahlen zu tun haben.

Der Verdacht liegt insofern nahe, als diese überall in der Natur auftauchen und vermutlich Ausdruck einer grundlegenden Gesetzmäßigkeit sind. (Nassim Harameins fraktale Struktur des Vakuums könnte der Schlüssel zum Verständnis sein)

Diese Zahlen kannten die alten Chinesen und Inder schon vor tausenden von Jahren... (von wegen Fibonacci...)


Sie haben höchst faszinierende Eigenschaften, die gerade auch für Tonsysteme in mehrfacher Hinsicht von größter Bedeutung sind: so stellen sie eine Verbindung von rationalen Zahlen zu exponentiellen bzw. logarithmischen Verhältnissen her - das ist genau die entscheidende Verbindung von Harmonik und Melodik.


Sie tauchen aber auch immer dann auf, wenn es um "natürliche Proportionen" geht; jeder hat schon mal vom "goldenen Schnitt" gehört, viele von der goldenen Zahl Phi, vom goldenen Winkel etc.

Ziemlich offensichtlich scheint auch in der 7stufigen Melodik das ideale Verhältnis von großem zu kleinen Tonschritt darzustellen. Während das Verhältnis 2/1 noch weit davon entfern ist, liegen 3/2 und 5/3 schon recht nah.


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Es gibt nur eine recht überschaubare Anzahl logarithmisch gleichstufiger Skalen, die in guter Näherung die wichtigsten Naturintervalle treffen. Erstaunlicherweise beeinhalten sie ausnahmslos eine diatonische Skala mit 2kleinen und 5 großen Tonschritten in der Oktave. Es wäre interessant zu untersuchen, ob es weitere "diatonoide" Skalen mit vergleichbaren Eigenschaften gibt.


2x + 5y wäre die Formel für diese Teilung der Oktav. Die Oktav kann man als 2/1 oder als 1200ct schreiben.

Für x und y setzen wir die Zahlen der Fibonacci-reihe ein: 1-2-3-5-8-13-21...


2*1 + 5*2 = 12  200,0ct / 100,0ct      2          Quint -2ct    gr.Terz +13,7ct kl.Terz -15,8ct Sept +31,2ct

2*2 + 5*3 = 19  189,5ct / 126,3ct      1,5       Quint -7,3ct gr.Terz -7,4ct    kl.Terz -0,2ct   Sept  -21,4ct

2*3 + 5*5 = 31  193,5ct / 116,1ct      1,666   Quint -5,4ct gr.Terz +0,7ct   kl.Terz -6,1ct   Sept -1,1ct

2*5 + 5*8 = 50  192,0ct / 120,0ct      1,6       Quint -6ct    gr.Terz  -2,3ct   kl.Terz -3,8ct   Sept -8,8ct

2*8 +5*13= 81  192,6ct / 118,5ct      1,625   Quint -5,7ct gr.Terz -1,1ct    kl.Terz -4,7ct   Sept -5,8ct

phi ratio   192,4ct / 118,9ct      1,618   Quint -5,7ct gr.Terz -1,5ct    kl.Terz +4,2ct

...

12-19-31-50.. bilden dabei eine ähnliche Reihe, deren Anfang sich durch 2-5-7 ergänzen ließe

das bezieht sich auf logarithmisch gleiche Teilungen der Oktave


2 ist als Martinshorn durchaus populär bzw. entspricht genau dem Tritonus im 12stufigen System.

5 und 7 als gleichstufige Skalen waren Anfang des 20.ten Jahrhunderts noch in den Gamelan-orchestern in abgelegenen Gegenden zu finden; es ist davon auszugehen, dass derartige Skalen vor dem Einfluss der westlichen Musik im fernen Osten weit verbreitet waren; die Stimmung glich sich dann der ungleichen westlichen Teilung an.

(Ich hab 1985 solche historischen Tonbandaufnahmen am musikwissenschaftliche Institut der Uni Köln analysiert)

Keines der Naturintervalle (ausser der Oktav) wird dabei auch nur annähernd getroffen. Bei, für den Gamelan-klang typischen, Gong-artigen Instrumenten, spielt das keine Rolle, da diese kein ganzzahliges Oberton-spektrum besitzen.

Daraus ergibt sich eine faszinierende Melodik, die dann auch gesungen oder z.B. auf Bambusorgeln gespielt wurde.


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Die harmonisch sehr interessanten Systeme mit 41 und 53 gleichen Tonstufen gehen mit 2x+5y ebenfalls auf:


2*3 + 5*7 = 41  87,8ct / 204,9ct  2,33/1 (kl.3 +6,4ct gr.3 -5,8ct Sept -2,9ct)

2*4 + 5*9 = 53  90.6ct / 203,8ct  2,25/1 (kl.3 +1,4ct gr.3 -1,4ct Sept +4,8ct)


Beide Systeme stellen eine sehr gute Näherung an die pythagoräische Stimmung dar, aber eine schlechte an phi ratio.

Das bedeutet, dass die harmonischen Intervalle NICHT Teil der tonalen Skalen sind!

(tonale Terzen sind 294,3ct und 407,5ct im 53er-system / 292,7ct und 409,8ct im 41er-system)


Vom Charakter her gehört das 12stufige System (incl. 24 und 72) zu den pythagoräischen Tonsystemen.

(wobei z.B. die alten Chinesen lange vor Pythagoras schon mehr darüber wussten...)

Die Phi-nahen Systeme hab ich ursprünglich als "atlantisch" bezeichnet; es ist durchaus möglich, dass die Hochkultur, deren gigantisch-perfekte Steinmauern überall auf der Welt zu bewundern sind, ein solches Tonsystem verwendete, aber wissen tu ich´s nicht. Angemessener wäre, sie als "natürliche" oder "goldene" Tonsysteme zu bezeichnen, was auch zum subjektiven Eindruck passt; sie klingen sehr viel wärmer, heimeliger und vielleicht auch ein bisschen reifer und herbstlich...


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Wie schon mehrfach ausgeführt muss ein Tonsystem etliche, teils widerstrebende Aspekte unter einen Hut bringen.

In der oben angeführten Fibonacci-folge der Tonsysteme nähert sich die melodische Proportion mit jedem Schritt dem goldenen Verhältnis.

Harmonisch gesehen trifft das 12stufige System die 3er-Intervalle sehr gut, während die 5er um das 8fache und die 7er um das 15fache mehr verfehlt werden - die 5er sind schlecht und die 7er unbrauchbar.

Das 19stufige trifft 3er und 5er gleichgut und die 7er um den Faktor 3 schlechter; deutlich ausgewogener als 12, aber ohne Intonations-korrektur auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

31 trifft 3er und 5er gleich gut und 7er sehr gut; liegt melodisch fast perfekt am goldnen Schnitt...

Mit 50 Stufen wird der harmonische Aspekt tendenziell wieder schlechter; bei 81 minimal besser; es steht aber in keinem Verhältnis zur Vermehrung der Töne; da bei 81Stufen der kleinste Schritt 14,8ct beträgt, kann die maximale Abweichung nur 7,4ct betragen - würde man das ins Verhältnis setzen, schneiden in der harmonischen Trefferquote 50 und 81 schlecht ab.


Je mehr Töne pro Oktave ich habe, desto komplizierter und teurer werden die Instrumente, desto schwieriger werden sie zu beherrschen und desto mehr potentiell falsche Töne stellt das System zur Verfügung. Damit sind schon Instrumente mit "nur" 31 Stufen pro Oktave einem normal begabten Musiker nicht mehr zuzumuten.

Nichtsdestotrotz stellt für Instrumente mit festen Tonhöhen das 31stufige System ein relatives Optimum dar - insbesondere, wenn man auf die Natursept nicht verzichten will...


Im Rahmen meines Intonations-systems wird aus der etwas zu geringen melodischen Spannung eine Stärke, die perfekt zu den engen Quinten und Großterzen passt; durch die Intonation bringe ich bewusst dieses kleine Quantum fehlender Spannung hinein und bekomme eine natürliche, lebendige Perfektion... dass das einer statischen Perfektion bei weitem vorzuziehen ist, wird jedem fühlenden Menschen einleuchten.